Jede Kommunalwahl das Gleiche: Männer dominieren die Parteilisten und später die Politik. Wird das kritisch hinterfragt, folgt das Lamento über die politisch unwilligen Frauen und die routinierte Ratlosigkeit, was zu ändern wäre. Gängiger Weise wird nun auf die vielen Maßnahmen verwiesen, die es laut vieler Untersuchungen braucht, um Frauen den Weg zu politischem Engagement und möglichen Mandaten zu ebnen: bessere Kinderbetreuung, Mentoring-Programme, mehr Angebote zur politikpraktischen Weiterbildung, gezieltere Ansprache und Förderinitiativen durch die Parteien und so weiter und so fort. Und ja: diese Maßnahmen sind wichtig und müssen angegangen werden. Aber wie lange wollen wir noch warten auf umfassende Strukturänderungen, auf den guten Willen aller politisch Aktiven, auf das freiwillige Auflösen männlicher Seilschaften, auf selbstbewusstere Frauen, die sich ins Haifischbecken Politik wagen? Die Unterrepräsentanz von Frauen, besonders auf der kommunalpolitischen Ebene, ist heute schon schlicht peinlich für die deutsche Demokratie. Aber die gute Nachricht lautet: Es gibt bereits ein erprobtes und vor allem schnell wirkendes Mittel für mehr Frauen in der Politik. Man muss es nur einsetzen (wollen). In Frankreich wurde bereits im Jahr 2000 das «Gesetz über den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und auf Wahl beruhenden Ämtern» verabschiedet. In dem französischen Paritätsgesetz ist festgeschrieben, dass alle Kandidat_innenlisten der Parteien paritätisch besetzt sein müssen und zusätzlich auch bei Direktkandidat_ innen von Parteien, die in mehr als 50 Wahlkreisen antreten, maximal ein Unterschied von 2 % bestehen darf. Das Gesetz findet sowohl bei Europawahlen, als auch bei Wahlen zu der Nationalversammlung genauso wie bei einem Teil der Senatswahlen Anwendung. Darüber hinaus gilt es auch für Regionalwahlen und Kommunalwahlen in Gemeinden mit mehr als 3.500 Einwohner_innen.1 D.h. bei den Kommunalwahlen gilt für Parteien: 50% Frauen auf die Liste und zwar auf die oberen Plätze! Das Gesetz führte zu einer sprunghaften Erhöhung des Frauenanteils in den Kommunalparlamenten. Allerdings: Im Nationalparlament führt die Einführung der Regelung nur zu einem Anstieg des Frauenanteils von 18% auf mittlerweile 27%. (Auf diesem niedrigen Niveau vergleichbar mit 33% Frauenanteil im Deutschen Bundestag). Der Grund liegt in den gesetzlich vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Parteien: Stellt eine Partei nicht-paritätisch besetzte Listen vor, kann sie von der Wahl ausgeschlossen werden oder aber sie muss Strafzahlungen leisten. Ein Schlupfloch, das von finanzstarken Parteien gerne genutzt wird. So zahlten bisher die konservative UMP wie auch die Sozialisten lieber Millionenstrafen, anstatt sich um paritätisch besetzte Wahllisten für die Parlamentswahlen zu bemühen.2 Ergo, das Gesetz ist nicht perfekt und hat seine Schwächen. Es zeigt in der Praxis aber deutlich, wie schnell Veränderungen – zumindest auf kommunaler Ebene - erreicht werden können. Auch in Deutschland mehren sich die Initiativen, das kommunale Wahlrecht entsprechend zu verändern. Der Gegenwind ist hart: die Freiheit und Gleichheit der Wahl würde eingeschränkt, die (Organisations-) Freiheit der Parteien unterlaufen und der Gleichheitssatz beeinträchtigt. Kurzum, das Parité-Gesetz sei schlicht nicht verfassungskonform. Mehrere Gutachten vertreten aber inzwischen gegenteilige Ansichten und halten das Parité-Gesetz für durchsetzbar. Baden-Württemberg hat nun den Anfang gemacht, freilich nicht ohne Druck und intensiver «diplomatischer» Vorarbeit engagierter Frauen3. Am 11. April 2013 verabschiedete der Landtag Baden-Württemberg als erstes Bundesland: «Männer und Frauen sollen gleichermaßen bei der Aufstellung eines Wahlvorschlages berücksichtigt werden. Dies kann insbesondere in der Weise erfolgen, dass bei der Reihenfolge der Bewerberinnen und Bewerber in den Wahlvorschlägen Männer und Frauen abwechselnd berücksichtigt werden.» Noch gibt es also hier eine «Kann»- und «Soll»- Bestimmung, aber immerhin, diese Regelung ist ein Novum, hat zahlreiche Debatten befeuert und wird hoffentlich weitere Türen öffnen. Vielleicht zieht ja auch bald Sachsen mit entsprechenden Initiativen nach? So absurd es 2013 klingt, aber wäre es nicht langsam angemessen, wenn zumindest auf kommunaler Ebene die Hälfte der politischen Macht fair zwischen Frauen und Männern verteilt wäre? Das Parité-Gesetz kann dafür die Grundlagen schaffen.
1 Gutachten der Rechtsanwält_innen Gaßner, Neusüß, Viezens: «Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer zwingenden paritätischen Besetzung von Wahllisten im Kommunalwahlrecht Baden-Württemberg», 27.4.2012
2 DLF, Margit Hillmann: Frauen im Hintertreffen. Die Politik in Frankreich ist eine Männerdomäne, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/576295/
3 Treibende Kraft war die Kampagne: www.halbe-kraft-reicht-nicht.de/